Schlüter Dritter
Theil
1801 –
1884
(Fortsetzung)
371
O sprich zu mir, o
schweige nicht vor mir,
Daß ich hinab nicht
wie zur Grabesstätte,
Im Tode sinke!
Fasse, hebe, rette,
Trag ob dem Abgrund
mich empor zu dir!
Lauscht’ ich dem
Widerwort ur Ungebühr?
Du ew’ges Wort,
schlingt mit demantner Kette
Dein Zeichen nicht,
gleich goldnem Amulette
Sich um mein Herz
mich tröstend für und für?
Warum verstummst du
mir anitzt, wo jede
Ansprache mir der
Kreatur zuwider,
Wo sehnsuchtsvoll
mein Ohr nur dir sich neigt?
Geh’ auf, du
silberlichter Quell der Rede,
Mit Trost, Licht,
Kraft und Heil; bis du hernieder
Zu mir dich neigst,
kein Trost für mich sich zeigt.
Wenn tiefen Gram und
Oede im Gemüthe
Ich oft beraubt wie
aller frischen Säfte
Und aller höhern,
genialen Kräfte
Und wie verbannt
aus heil’gem Lichtgebiete;
Wenn ich zur Qual
ob meinem Nichtsthun brüte,
Wenn ich umsonst
den Blick mit Flehen hefte
Auf die Erinnrung,
ob durch ihr Geschäfte
Mir keine Lust und
selbst kein Schmerz mir blühte;
Wenn starr und
todt, tief, einsam, unerregt
Ich darb’ und
schmacht’ und bin wie ausgeschlossen
Von der Lebend’gen
Pfad, dem lichten droben:
Freut’s doch mich
still, wenn kaum das Herz auch schlägt,
Daß Millionen
Sterne, lichtumflossen,
Ob mir frohlockend
meinen Schöpfer loben.
Seit ich gesehn,
wie, was das Herz begehrt,
Und liebt und
schätzt und selig möchte’ umfangen,
Für ew’ge Zeit zu
stillen sein Verlangen,
Hier unterm Monde
schwindet und nicht währt;
Seit ich gesehn,
wie, was da hochgeehrt
Von Menschen
prangt, was jubelnd sie umrangen
Mit Lob und Preis,
vor einem Hauch vergangen,
Hat tiefer Gram
mein innres Herz verzehrt.
Die Blüthe welkt,
das grüne Laub wird falben,
Die Schönheit
schwindet, heller Sommertag
Schließt mit
Gewittern und mit Abendregen.
Der Winter scheucht
den Lenz und allenthalben
Seh’ ich
Vergänglichkeit und ihre Schmach.
O Herz, sei still
und bleib’ auf Gottes Wegen!
„Seh’ ich mit
ernstem Blick das Leben an,
Muß gift’ger
Schmerzenspfeil’ ich sein gewärtig,
Chaot’scher
Wirrwarr wird mir gegenwärtig,
In Schatten tritt
mir jeder lichte Plan.
Blind rast das
Glück, blind tritt der Tod heran,
Rafft lock’ge
Unschuld, Sünder grau und bärtig;
Groß angelegt
schien manches, nichts wird fertig,
Uns All’
umschließet finstrer Schicksals Bann.
Und keinen sah ich,
der der Blühn’ entstürzt,
Nach dem man
fragte, der nicht überschüssig
Gar bald erschien,
ersetzlich ohne Zweifel.
Wohin ich seh’,
vereitelt und verkürzt
Wird jede Hoffnung,
Alles überflüssig!“
So spricht des
Gram’s eintönig Dachgeträufel.
Ihr geht so heut,
wie gestern, eure Bahn
Am purpurnen Azur, ernst, sanft
und groß,
In still entzücktem Schweigen;
euer Loos
Ist, Sterne, nicht dem Wechsel unterthan.
Hart faßt nur uns ein rauhes
Schicksal an
Hier unten tief im
sturmbewegten Schooß
Der Muttereerde, rauh und
schonungslos
Spielt mit der Menschen Herz
des Lebens Wahn.
Der Tag von gestern schloß mit
Wonn’ und Freude,
Befestigt schien gleich einer
Felsenmauer
Der Friede uns und äußrer
Wohlfahrt Glück.
Der Tag von heute schließt mit
bittrem Leide,
Auf jenes Baues Trümmern sitzt
die Trauer,
Zu euch, ihr Ew’gen, richtend
ihren Blick.
Des Kirchhofs Flieder schwankt
im Wehn der Weste,
Die Pappel rauscht im trüben
Regenwinde,
Die Sonn’ ist unstät, selbst
die duft’ge Linde
Seufzt schwermuthsvoll im
sprossenden Geäste;
Und sieh vorm Haus, wo
ausgegrabne Neste
Der Todten ruhn, ein
Schmetterling geschwinde
Eilt von gesprengter, goldner
Sargesrinde
Froh zu des Lenzes
Honigblüthenfeste.
Auf dem Gebälk ruhn noch im
goldnen Schimmer,
Die er durchbrach mit
jugendlicher Schwinge,
Der Chrysalide abgefallne
Trümmer.
Doch welch ein Anblick,
Schrecken nicht geringe!
Hier schwebt noch eine, die
entschwebt wohl nimmer,
Sie birgt den Wurm! O Vorbild
großer Dinge.
Mir ist’s, als lieg’ im tiefen
Seelengrund’
Ein alter Schatz von großer
Scheiben Scherben,
Die sich gar oft im Lichtstrahl
plötzlich färben,
Wie Iris schön geschwungen,
reich und bunt.
Von alt verfallnen Schlössern
stammt der Fund,
Der arme, kaum entrissen dem
Verderben;
Doch auf ihn blickend mag ich
Luft erwerben,
Und thut er mir manch alt
Geheimniß kund.
Und weilt auf seinem reichen
Schmelz der Blick,
Fängt in der Seel’ es heimlich an
zu klingen,
Zum Ringeltanz sich die
Gedanken schlingen.
Es träumt das Herz von einem
hohen Glück:
Vergangene Zeiten kehren licht
zurück,
Und plötzlich schwebt sie wie
auf Engelschwingen.
Was spricht so tief in dieser
Stimme Tönen
Zu meinem Herzen?
Unaussprechlich nennen
Möchte’ ich den Zauber, muß ich
doch sie kennen,
Mein Tiefstes regt sie auf zu
mächt’gem Sehnen.
Umgibt mich lichtes
Paradieseswähnen
Der frühsten Jugend? Schnell
von mir sich trennen
Die Geister, die dorthin zu
eilen brennen,
Woher die Töne ihre Macht
entlehnen.
So ist’s, ach, jede Frucht und
jede Blüthe,
Gesandt aus jenen südlichen
Gefilden,
Glüht milder, duftet süßer,
glanzumweht.
Aus tiefsten Busens dämmerndem
Gemüthe
Ruft sie der Jugend Eiland,
licht und gülden,
Aus dunkler Fluth, es glänzt in
Majestät.
Mir ist’s, ich wall’ in süßer
Dämmerung,
Rings um mich Fried’ auf
duft’gen Frühlingsauen,
Auf Wies’ und Hügeln; Halm’ und
Haine bauen
Sich auf zum Tempel, feiernd,
froh und jung.
Zum Iztz ward Hoffnung und
Erinnerung,
Aus Friedenswolken fühl ich’s
niederthauen,
Mir ist’s, als könnt’ den
ew’gen Tag ich schauen
Mit einem Blick und
Geistesflügelschwung.
Aus stein’gem Herzen quillt es
klar und voll,
Als sei dem ew’gen Quell ein
Thor gehauen,
Der nun in mir zum heil’gen Meere
schwoll.
Still ist’s, nun kann unendlich
ich vertrauen,
Und ohne Wollen thu ich, was
ich soll,
Und leb’ aus diesem Quell auch
ohne Schauen.
Ja, wie ihr sagt, es sehnt das
Menschenherz
Nach Freiheit sich und Fülle;
doch genügen
Kann ihm nur Freude Gottes,
kein Vergnügen
Der ird’schen Zeit; drum
richtet’s himmelwärts!
Es trinkt sein Blut der Erde
Tand und Scherz
Und saugt es matt und leer, bis
es auf Flügen
Zum Quell des Heils gelernet zu
besiegen
Den finsteren Magnet und seinen
Schmerz.
Dort in der Einheit, die uns
hält und trägt,
Die sanft das All erfüllet und
umhüllet,
Und um das Weltall ihre Arme
schlägt,
Ist’s, wo der Seele Füll’ und
Freiheit quillet,
Bewegt sie ruht, wo ruhend tief
bewegt
Sie ihren Durst nach mächt’ger
Freude stillet.
Frag’ nicht die Menschen,wo du
zweifelnd bangst,
Im eignen Innern steht die
heil’ge Hütte
Des Stifts erhöht, in deren
Dämmermitte
Du Antwort findest, wie du sie
verlangst.
Jahrzehende vergebens suchend
rangst
Nach Antwort du bei Menschen;
deine Bitte
Im Allerheiligsten vertrauend
schütte
Sie aus dem Herrn; hier legt
sich deine Angst.
Sei Moses deine Seel’ und nähre
stumm
Voll Ehrfurcht mit der Frage
dich dem Sitze,
Wo Hoffnungsreichen stets
Gewährung ward.
Hier ist des ew’gen Wortes
Heiligthum
Und ewiges Orakel: gleich dem
Blitze
Ertönt sein Wort in heil’ger
Gegenwart.
Dring’ auf mein Geist zu jenes
Lichtreichs Grenzen,
Es leiht die öde, bange Angst
dir Flügel,
Hinan, wo am durchsicht’gen
Demantriegel
Die Gottheit strahlt, die
kreaturen glänzen.
Dort, wo mit Lichtesstrahlen
sich umkränzen
Die Geister, auf der Stirn der
Gottheit Siegel,
Wird dir vielleicht, berauscht
vom heil’gen Spiegel,
Ein Engel froh den Lebenswein
kredenzen.
Hier unten in der Thäler
Labyrinthen
Voll Thränen, Nacht und
Seufzern, treiben Schatten
Ob Dornen sich, ist rings kein
Ausgang offen.
Nur au der Höh’ ist Freiheit
noch zu finden.
Hinan denn über Wolken ohn’
Ermatten
Aus nächt’ger Thäler Grund mit
kühnem Hoffen!
O laßt am wilden, wolkentrüben
Tag
Der Zeit gedenk uns sein, wo
voll der Bronnen
Des Friedens quoll, von Gottes
heitern Sonnen
Beglänzt die welt, ein Garten
um uns lag!
Wenn unser Herz in Stunden
bittrer Schmach,
Sich, wie es ringt, auf Elend
nur besonnen,
Krank, ungeliebt; wenn wie in
Sand zerronnen
Sein Lieben scheint und alles
Unheil wach:
O laßt des heil’gen Bergs
gedenk uns sein,
Von dessen Höh’ die
Gnadenströme quillen,
Die wasser Gottes segnend
niederbrausen:
Auch uns schenkt einst den
vollen Becher ein
Der Herr, an seinem Fuß uns reich
zu stillen.
Noch springt der Quell, birgt
ihn gleich nächt’ges Grausen.
Will rings kein Blick dein Auge
liebend binden,
Dem Herzen bietend Ruhestatt,
verstößt,
Wie dich’s bedünkt, dein Herz
nach allen Winden
Selbstsücht’ge Welt, die dir
dich überläßt;
Kannst du in Keines Auge tief
begründen
Des Herzens Ruh’, vom Gram und
dir erlöst,
Scheint dir umher kein einz’ges
Herz zu finden,
So deinem Blick verheißt ein
Friedensfest:
O, über dir ist noch ein Auge
offen,
Das mild in deine Nacht herniedersieht,
Wo unruhvoll in bangem
Fürchten, Hoffen
Dein schlummerloses Herz vor
Sehnsucht glüht!
O such dies Auge auf mit deinem
Herzen,
Sieh dich geliebt, ruh’ aus von
allen Schmerzen.
Im Busen liegt, umstrickt von
vielen Hüllen,
Ein Psalter hohen Gottenlob’s;
dumpf klingt
Und halb verstimmt die Harfe,
unbeschwingt,
Ringsum verlarvt, verborgen
noch im Stillen.
Da kommt das Leid, gesandt nach
Gottes Willen,
und scheidet all’ den Wust, der
sie umringt,
Und stimmt sie rein; o wie
beflügelt singt
Sie nun ihr Lied, die Himmel zu
erfüllen.
Wie sanft melodisch dringt ihr
Gottesloben,
Ihr Dank, ihr Preis aus dunkler
Schmerzensnacht,
Anitzt gereinigt, auf zum Tag
dort droben,
Wo still die ew’ge Vatergüte
wacht,
In ew’ger Seligkeit der Friede
lacht,
Der Schmerzensgluth für ewig
nun enthoben.
Hart ist Wechsel nach gewohntem
Glücke,
Schwer, was einst du sehr
bewundert, meiden,
O wer sähe kalt die Wonne
scheiden,
Jahrelang genährt, im
Augenblicke!
Doch wie auch Schmerz das Herz
durchzücke,
Stumm verehrend wird sich Lieb’
bescheiden;
Freuden läßt sie und erwählt
die Leiden,
Daß sie sich gleich dem
Geliebten schmücke.
Denn des Herren Will’ und
Wohlgefallen
Ist ihr Will’ und ihres Herzens
Wonne,
Die sie klarer itzt im Leide
siehet.
Drum, wenn Thränen gleich dem
Aug’ entfalten,
Trinkt sie fest den
Leidenskelch: es sprühet
Ihr aus ihm ein Strahl der
ew’gen Sonne.
Freundesrath, so sagt man ist
der beste.
Hat die Welt, der du zu sehr
gewogen,
Oftmals gleißnerisch dich schon
betrogen,
Folg’ dem Freund, sein Wort sei
deine Veste.
Aber ach, wenn mit dem Glück
die Gäste,
Freunde reichen Hauses, oft
entflogen,
Selbst die treuvermeinten sich
entzogen,
Thränen ihre Flucht dem Aug’
entpreßte:
Wenn dein Schiff, entmastet,
bar der Segel,
Fast ein Wrack hintreibt im
Lebenssturme,
Trüb’ und rathlos blickst
gelehnt an’s Ruder,
Um dich kreischet schwarzes
Nachtgevögel:
Bleibt ein Freund, deß Rath dir
gleich dem Thurme;
Ihm vertrau’, er ist dein Gott,
dein Bruder.
Die Sonne kämpft, durch
schwarzer Wolken Schaaren
Siehst kaum du noch ihr
glorreich Antlitz schimmern,
Es seufzt der Abendwind mit
leisem Wimmern,
Rings sinken rasselnd fahler
Blätter Schaaren.
Nicht kann sie strahlender sich
offenbaren
Am Mittag, als sie itzt; doch
über Trümmern
Scheint im Gewölk sie ihren
Sarg zu zimmern,
Schleunigst bedacht allein
hinab zu fahren.
Jedoch du weißt, wie nur der
Nebelschwall
Ihr Strahlenaug’ umzieht und
sonder Hülle
Es schöner als am Mittag
leuchten würde.
O Greisesseele, also im Verfall
Des Leibes strahlst und glühst
du mild und stille:
Gerechtigkeit heißt deine ew’ge
Zierde.
Leicht trübet sich die lichte
Sonn’ im blauen,
Azurnen Dom, ihr milder Blick umzieht
Mit Nebeln sich, tief sinkt ihr
Augenlid
Und leise zuckt es unter
düstren Brauen.
Und aus den Wimpern Ströme
niedertauen;
Wie nimmersatt in Thränenlust
entglüht
Des Himmels Aug’ hinab zur Erde
sieht;
Doch bald neu sprießen Felder,
Thal und Auen.
So, Seele, naht der düstre Tag
der Leiden
Mit Sturm und Regen, denk’, es
ist die Liebe,
Die mitleidsvoll in unserm
Busen sieht
Des Herzens staub’ge Dürr’
gleich welken Heiden;
Still trink den Strom in
feuchter, dunkler Trübe,
Bald kehrt die Sonn’ und Alles
lacht und blüht.
Wer leben will, lern’ erst
zuvor sich tödten;
Vergessen wird, wer nie auf
sich vergessen,
Wenn ew’ger Schöne Strahlen
ungemessen
Ihm tagten, Himmelslüfte ihn
umwehten.
Wenn nach dem Lorber eure
Blicke flehten,
Mißt fröhlich, was Gering’res
ihr besessen;
Weg mit den äußern nicht’gen
Weltintressen,
Ist selbst zu intressiren euch
vonnöthen.
Ihr zagt? – O glaubt, um Nichts
wird Nichts erworben,
Nur um die äußre
Mannichfaltigkeit
Wird euch der Preis der innern
Herrlichkeit
Im Glanz der Einheit; wer noch
nicht gestorben,
Zeigt sich nicht würdig der
Unsterblichkeit;
Wer immer spielt, der hat sein
Spiel verdorben.
Elend ist nur, wo kleine
Schmerzen walten,
Und tausend Sorgen ziehn uns
erdenwärts:
Da schwinden kräft’ger Ernst,
wie muntrer Scherz,
Dringt keine Sonne durch des
Nebels Falten.
Doch schnell wird Gott die
Seele aufrecht halten,
Naht deiner Brust der eine
große Schmerz
Um Ihn, den du verlorst; groß
wird dein Herz
Und eine Welt sich neu in dir
gestalten.
So senkt die heil’ge
Sternennacht sich nieder
Auf dämmernde Gefilde, alle
Schatten
Verschlingt sie rasch und saugt
sie alle ein.
Nur sie noch herrscht; hoch
trägt ihr Glanzgefieder
Den Geist empor, den müden,
tagesmatten,
Durch ew’ge Sternenkräfte ihn
zu weihn.
Es singt ein Vöglein an des
Berges Hang
Bei Nacht sein einsam Lied; leis’
klagend fleht
Hoch zu der Sterne heil’ger
Majestät
Sein schwergeängstet Herz viel
Stunden lang.
Durch Erl’ und Pappel schauert
schwermuthbang
Von Zeit zu Zeit ein Lüftchen;
doch es geht,
So wie es kam; dann laut der
Nachtwind weht
Und stürmt in’s Thal mit
dumpfem Todessang.
Es ringt und ruft, kann Ruhe
nicht erringen,
Kein Schlummer deckt die matten
Augenlider
In langer Nacht, ermüdet sind
die Schwingen:
Da blickt ein Silberstrahl der
Frühe wieder
Aus fernem Berggebüsch: der muß
ihm bringen
Ersehnte Ruh’; Traum senkt Ton
und Gefieder
Ich sah ein Bild; ein grauer
Alchemist
Zerstieß ein Herz mit einer
Keul’ aus Stahle
Rastlos wie wüthend in
metallner Schale,
Wie, wer beim Werk die ganze
Welt vergißt.
Weh armes, junges Herz! Nach
kurzer Frist
Entstrohmt ein Blut- und
Thränen-Strom zu Thale,
Es stand zerknirscht; da sieh
mit einem Male
Durch einen Blitzstrahl es
verwandelt ist.
Hoch zuckt ein Strahl herab aus
dunklen Höhn
In des Adepten Schal’;
urplötzlich sieht
Er Fleisch und Blut gleich
einem Rauch verwehn.
Wie in krystall’nes Gold
verwandelt glüht
Das Herz vor ihm, gleich einem
Chrysolith,
Und schwebt gen Himmel
jugendlich und schön.
O würd’ in mir die ew’ge
Todesquelle
Tief in der Brust zum heil’gen
Lebensquell,
Leicht wär’ das Herz und bald
die Augen hell
Dem Pilger, leicht geschürzt
zur Reif’ und schnelle!
O, wenn dein Wort im Innern mir
erschölle
Mit süßem Laut, und fänd ein
Echo schnell
Tief in der Brust; der Mißton
wirr und grell,
Wie schnell entflohn von Sünde,
Welt und Hölle!
Melodisch sprängen heil’ge
Wasserfluthen
Des ew’gen Lebens laut mit
Silberwellen
Zurück zum ew’gen Born, wo
hergesandt
In’s dürre Herz sie rauschend
nimmer ruhten;
Und Engel weilten an den
Stromgefällen:
Du, Seele, wärst ein
paradiesisch Land.
Und thust du nichts, o
schwergedrückte Seele,
Sei ohne Furcht, vielleicht
ist’s Zeit, zu ruhn;
Vielleicht wird itzt der Herr
statt deiner thun,
Und Weisheit sorgt, daß sie
dir’s noch verhehle.
Dein Innres scheint dir dumpfe
Schläferhöhle
Voll Nacht und Moder, wohl so
ist es nun;
Allein vielleicht, daß Gottes
Heimlich-Thun
Bei Nacht der Morgen herrlich
dir erzähle.
Wirkt nicht, bevor der Lenz
sein Füllhorn wendet,
Im erdenschooß gar heimlich und
im Stillen
Befruchtend, bildend sanfter Sonnenstrahl?
Und manchen Sturm und Regenguß
erst sendet
Der Lenz voran, das Erdreich zu
erfüllen,
Bis Morgens er erscheint mit
einem Mal.
Wenn laue Lenzluft durch das
Dörfchen geht
Mit süßem Hauch, wenn unter
allen Hecken
Im Grün die dunklen Veilchen
sich verstecken,
In Gärten grün die Stachelbeere
steht;
Wenn von dem Frühjahr froh das
Herz erhöht
Nun voller schlägt, und lacht
der Winterschrecken:
Wie da süß bittre Düfte dich
erwecken,
Wenn sanfter West durch weißen
Schlehdorn weht!
Sein bittrer Duft stärkt Haupt
und Herz und macht
Dich aufgelegt, der Veilchen
und der Rosen,
Der Lilien Wohlgeruch mit Lust
zu trinken.
O wie so süß nach dunklem
Schmerze lacht
Der Freude Antlitz dem schon
Hoffnungslosen,
Dem neu die alten Sterne wieder
blinken.
Der Sonne bringet Lenz den
Blüthentraum
Der Erde dar mit Farben, Glanz
und Düften,
Gesang in Wäldern, Thälern,
Bergesklüften,
Wenn frisch vom Fels spritzt
junger Brünnlein Schaum.
Und freundlich vom azurnen
Himmelssaum,
Dem von der Vögel Flüglein froh
durchschifften,
Strömt neuen Segen sie auf Thal
und Triften
Und Bergeshöhn aus hohem
Aetherraum.
So möchte’ auch ich des Herzens
Traumesblüthen
Froh opfern, licht ob dunkel,
selig spielend
Im heitern Lenztag ew’ger
Geistersonne.
Sie wird ein freundlich Antlitz
mir entbieten;
Denn liebend in dem All und
nicht unfühlend
Blickt sie auf jeden Abglanz
ihrer Wonne.
Wie auch gestürzt mit mir aus
sel’ger Höhe,
Hat doch der ew’gen Weisheit
milde Hand
Nicht hoher Schönheit heil’gen
Schmuck entwandt
Der Erde ganz, wie schmerzlich
auch ihr Wehe.
Wie schön als stumme Wittwe
rings ich sehe
Sie noch geschmückt; der
Hoffnung Unterpfand
Glänzt ihr im Aug’, und schon
sieht sie das Land,
Wo ihr verheißen, daß auch sie
erstehe.
Mit ihr auch ich. O, ihre Schönheit
däucht
Mir eine Stimme hehren
Gottespreises,
Die sie noch nicht vermag zu
offenbaren!
Hilf, Seele, ihr, wenn sie noch
harrend schweigt,
Nimm auf ihr Lob in Herz und
Stimm’ und weis’ es
Zu Gott hinauf, vereint mit
seinen Schaaren.
Es glänzt der Morgensonne
Erstlingsstrahl
Vom goldnen Kreuz. Wo auf des
Berges Höhen
Um die Kapelle düstre Ulmen
stehen,
Durchzuckt das Licht die
Dämmerung im Thal.
Und Frühe weckt der
Morgenglocke Hall;
Mit Geisterfuß durch
Thalesschluchten gehen
Die Laute zu der Menschen Ohr;
es sehen
Das Strahlenkreuz rings Augen
ohne Zahl.
Und frohvergessend Nacht und
Tod und Sünde
Blickt Jedes dankbar auf, und
liebend nieder
Zum Bruderantlitz, das sein
Auge segnet.
Süß weht’s, wie Liebeshauch, im
Morgenwinde
Von Veilchen, Primeln,
Dornenbluth und Flieder
Durch’s Dorf: im Einen Alles
sich begegnet.
Nach vorwärts eilt, nach oben,
was da lebt:
Zu ihren Zielen eilen die
Planeten,
Es wandeln fort die heil’gen
Morgenröthen,
Und in dem Geist Natur zu
rasten strebt.
Die Wurzel fliehend, eilt von
Glanz umwebt
Die Pflanz’, im Licht des Tages
anzubeten;
Und selbst das Thier macht
Liebe zum Propheten,
Im andern sehnend sich’s zu
finden bebt.
Und rückwärts sinkt, was nimmer
vorwärts eilt,
In Tod zurück, was nicht sich
selbst erhebet:
Nicht Stillstand kennt das
Leben. Auf, o Seele,
Da nichts bei sich in dunkler
Wurzel weilt,
Dem Strom des Lebens folget,
was da lebet,
Flieh’ dich, daß Ew’ges froh
sich dir vermähle!
Wie schrecklich ist der Ort, an
dieser Stätte
Welch heilig Grau’n erfaßt
mich, ist die Hütte
Jehovah’s hier, rauscht es vom
Geistertritte,
Und legt um mich des Schauers
Zauberkette?
Fern tos’t der Strom der Zeit
im alten Bette;
Hier lauscht man kaum dem
Donner seiner Schritte,
Und ist’s, als ob den Pilger
schon die Mitte
Der Ewigkeit im Ring
umschlossen hätte.
Wie selig ist der Ort, wo fern
verhallt
Das Weltgetös’, wie steigen
Gottes Geister
Auf goldnen Leitern segnend
still hernieder!
Wie ab und auf ihr heilig
Rauschen wallt
In Lieb’ und Lob, vom Meister
und zum Meister,
Sanft saust um Herz und Haupt
ihr Lichtgefieder!
Hast du nur Liebe, kann die
Höllennacht
Der Leiden dir in
Paradieseshelle
Sich schnell verwandeln; und so
wird zur Hölle,
Wo Liebe fern, des schönsten Tages
Pracht.
Ist’s Freud’, auf deren Antlitz
Lieb’ nicht lacht?
Ist’s Leid, wo hohe
Himmelslieb’ zur Stelle?
O, was ist Himmel, fern der
Lieb’, was Hölle,
Als Leben ohne Liebe
zugebracht!
Lieb’ ist der Strahl, der
tausendfarbig hold
In allen Lebensformen sich
entfaltet,
Aus Licht und Dunkel siegreich
sich erhebt;
In Licht, in Gluth, in Lust wie
Leid das Gold,
Das rein besteht, unsterblich
nicht veraltet,
Und einst den Haß für ewiglich
begräbt.
Sei, Feind, gesegnet, huldreich
mir gegeben
Zum Widerspruch von ew’ger
Liebe Macht!
Was mir kein Andrer, hast du
mir gesagt,
Vernahm ich’s gleich mit
Schmerz und innrem Beben.
Du lehrtest Demuth, Sanftmuth
und Vergeben
Mich und Geduld, die Stärke
überragt
Des zorn’gen Muthes, warst mir
eine Wacht
Und lehrtest minder an mir
selbst mich kleben.
Wo ich am schwächsten, hast du
mich ergriffen
Und streng behandelt; ja, du
zeigtest mir,
Wie Manches, mein geschätzt,
doch nicht war mein.
Du hast der Seele Edelstein
geschliffen,
Noch in der Ewigkeit einst
dank’ ich’s dir,
Mag drob der Herr dein Unrecht
dir verzeihn.
Es reift der Sonne Strahl die
grüne Frucht,
Bis süß und mild sie glüht im
dunklen Laube,
Allmächtig wanelt sie zur
Nectartraube
Den Heerling um in warmer
Felsenschlucht.
Doch größres Wunder in
verlass’ner Bucht
Wirkt Gottes Gnadenstrahl, wo
tief im Staube
Ein Herz gebeugt erseufzt,
schon fast zum Raube
Verzweiflungsvoller Nacht in
wilder Flucht.
O heil’ger Strahl, der du vom
Angesicht
Der Gottheit zuckst, Lichtblick
der ewigkeit,
Wie magst du so mit unserm
Herzen handeln!
Wie kommt’s, daß deine Reinheit
weigert nicht,
ein trotzig Herz, grün und voll
Bitterkeit,
In eine milde, goldne Frucht zu
wandeln?
Sobald den Edelfalken seiner
Haube,
Der hüllenden, befreit der Falkonier,
Flugs steigt er auf zum
höchsten Luftrevier,
Festzielend kehret er mit
sicherm Raube.
So, Seele du, hat hoher
Himmelsglaube
Den unermessnen Himmel über dir
Enthüllt: hinan zu ew’ger
Schöne Zier,
Zum Quell der Liebe, frei
gemacht vom Staube!
Hinan du, lang’ im Reif der
Welt gewiegt,
Das Haupt von wirrer Thorheit
Nacht umgeben,
Hinan und hole reiche Schätze
nieder!
Stets quillt des Himmels
Reichthum unversiegt;
Nimm Gnad’ um Gnad’, Licht,
Hoheit, Kraft und Leben
Für dich, sodann für tausend deiner
Brüder!
Nur Einer ist, und Eins ist
nicht: das Werden,
So Dasein wird genannt,
obwohl’s kein Sein,
Schwankt zwischen beiden
unruhvoll, den Schein
Vom Wesen borgend, täuschend in
Gebehrden.
Geburt, Tod, Untergang,
Entstehn auf Erden
Hat etwas mit dem Sein, dem
Nichts gemein.
Vergebens suchst du Dauer zu
verleihn
Dem Zeitengang, dem endlosen
Verwerden.
Frucht widerlegt die Blüth’;
erscheinet die,
Straft sie die Knosp’ und alles
Vor’ge Lügen;
Gott will, das Werdende es soll
nicht sein.
Such’ Ew’ges drum! dem ew’gen
Wechsel flieh!
Nicht hälst du ihn; verlassend
nur besiegen
Wir seine Macht, nicht thöricht
greifend ein.
Was allgemein, ist drum noch
nicht gemein,
Was einzeln, drum noch immer
einzig nicht;
Wo wahrhaft Allgemeines ihm gebricht,
Wo Einzigkeit dem allgemeinen
Sein,
Ist beides Sein vielmehr ein
leerer Schein.
Erst in der Einheit hat die
Zahl Gewicht
Und rechtes Maaß: theilhaft am
ew’gen Licht,
Wird wahrhaft sie ein Sein im
Widerschein.
Und jene Allgemeinheit, ewig
rein
Und himmelklar, ein heilig
Angesicht
Dreiein’gen Seins, würd’ sie
nicht einzig sein,
O thöricht wär’ die Satzung,
welche spricht:
Lieb’ über Alles Gott und ihn
allein;
Nie könntest du dein ganzes
Herz ihm weihn.
Heil dem Allmächt’gen, groß und
unbekannt!
Sein Ebenbild, im Geiste seiner
Spur,
Steh’ ich, ein freier Herr der
Kreatur,
Die nimmer der Erkenntniß Pfade
fand.
In Lieb’ und Ehrfurcht sei mir
nur genannt
Sein heil’ger Nam’. Er that den
ew’gen Schwur:
Für kurze Zeit des erdenlebens
nur
Sei fern von mir des Staubes
Sohn verbannt.
Anbetend stumm an jedem neuen
Tage
Sei er verehrt, der mich zuvor
geliebt,
Bevor ich ihn erkennen, lieben
konnte.
Was wog mein Sein in seines
Lebens waage?
War ohne mich sein sel’ges Sein
getrübt,
Der ewig sich in seinem Abglanz
sonnte?
Befreit vom Winter quillen
Wasserbronnen,
Und lichte Sanftmuth lös’t der
Flüsse Band;
Es herrscht der Lenz, die
Turtel girrt im Land,
Und Augen hat die heil’ge Reb’
gewonnen.
Und weithin leuchten junge
Frühlingssonnen,
Vorüber ist der Winter und
verschwand.
Die Hochzeit naht; schon ist
der Braut bekannt
Der Bräutigam, und daß sein Tag
begonnen.
Die Rebe grünt, des Weinstocks
Blume düftet
Und sproßt und rankt zum
heil’gen Tempeldach,
Das Heiligthum mit Laubwerk zu umschließen.
Doch eh’ sich noch der heil’ge
Vorhang lüftet,
Naht sicherlich der Prüfung
strenger Tag,
Muß Traubenblut aus tausend
Keltern fließen.
Wie steht so traurig blätterlos
der Wald,
Am Berghang seufzt des
Weinstocks dürrer Ast;
Begraben, welk liegt unter
Schnees Last
Das Thal der Veilchen, wild vom
Sturm durchhallt.
Doch kommt der Sommer, ändernd
die Gestalt
Der Dinge, die vom Winter
streng gefaßt
Und todtengleich verwandelt;
unterm Bast
Schläft Leben schon und dringt
zu Tage bald.
Wie wird, wenn nun vorüber
diese Zeit,
Im ew’gen Lenz des Herren Kraft
erscheinen,
Die itzt verdeckt träumt in
Gebährungswehn!
Wie dehnt des Herzens Baum die
Zweige weit,
Dem Lichttag aus der Höh’ sich
zu vereinen,
In Blüthenglorie vor dem Herrn
zu stehn!
Ja, in der Wurzel schläft schon
itzt die Kraft
Aus Gott, die, noch verborgen,
sich nicht zeigt;
In Christ sind wir gepflanzt,
noch unerweicht
Starrt seiner Rebe Schoß und
wankt erschlafft.
Doch kommt der Tag, der neues
Leben schafft,
Aus Glauben, Demuth, Lieb’ und
Hoffnung steigt
Der Lebensbaum, der reich die
Aeste neigt,
Von Blüth’ und Früchten schwer
aus heil’gem Saft
Noch starrt der Winter und, mit
Christ gestorben,
Harrt still des Lenzes jede
heil’ge Rebe
Und träumt vom Auferstehn, in
Gott verborgen.
Der Aufgang naht, wo Kraft und
Licht erworben.
Der Rebzweig sinnt, wie er sich
hoch erhebe
Und prang’ in Gott am neuien
Schöpfungsmorgen.
Es schießt die Lieb’ von ew’ger
Schöne Bogen
In tausend Herzen tausend
goldne Pfeile;
Sie fahren auf, zu unermess’nem
Heile
Fühlt sich allmächtig jedes
hingezogen.
Die Lieb’ erwacht in
stürmisch-feur’gen Wogen,
Ein jedes sorgt, wie schnell
hinan es eile
Und an der ew’gen Schönheit
Busen weile,
Die nie der Sehnsucht Ahnung
hat betrogen.
Doch hält das Herz und
mächt’gen Geistes Willen
Der Leib zurück in
Zeitgeständniß-Banden,
Und Ohnmacht lähmt den Auffluf
himmelwärts:
Nicht kann der Geist der
sehnsucht Maaß erfüllen
In Gegenlieb’, um selig dort zu
landen,
Wo glänzt ihr Ziel; das ist der
Liebe Schmerz.
Wie glänzt im Purpurlicht beim
jungen Tag,
Wenn aufgeflogen deiner Laden
Riegel,
Genüber an der Wand entflammt
der Spiegel,
Auf dem bei Nacht so dieses
Dunkel lag.
Doch Morgenglorie dringt in
dein Gemach,
Und auf des Lichtes blitzesschnellem
Flügel
Erscheint der Sonne
purpurrothes Siegel
Im Spiegel klar, wie’s durch
die Fenster brach.
Und so, o Seele, wird dereinst
es sein,
Wenn Christus, deine Sonne,
wird erscheinen,
Und weit der Horizont vom
Aufgang tagt.
In deinen Tiefen wird sein Bild
erscheinen;
Schon ist des Glaubens dunkler
Spiegel dein,
Bewahr’ ihn treu, selbst in der
längsten Nacht.
Ist nicht um mich, in mir und
über mir,
So weit des Himmels Bogen sich
erstreckt,
Wo letzter Nebelstern die Grenze
steckt,
Und drüber weit, noch ew’ger
Schöne Zier?
Ist, wie im unermeßlichen
revier,
Nicht in der Hast, wo Seele du
versteckt,
Der heil’gen Liebe ew’ger Tisch
gedeckt?
Wir sind geladen, und noch
zögern wir?
Ein leiser Hauch in stillem
Liebessinnen,
Ein Seufzer, eine Thräne
sprengt die Wand,
Die von dem höchsten Gut uns
hält geschieden.
Laß uns noch heut, uns im
Moment beginnen!
Die Liebe, wenn sie unsre Seele
fand,
Gibt uns all’ ihre Seligkeit
und Frieden.
Momente gibt’s, wo überm
Zeitenzwist
Sich hoch zu Gott der Seele
Schwingen breiten,
Dem ew’gen Lichttag sich die
Thore weiten
Des Herzens, das die erd’ und
sich vergißt.
Verstummt sind Hoffen, Fürchten
und Gelüst,
Das abwärts zielend strebt in
alle Weiten;
Aus Gotteshänden die Momente
gleiten,
Wo du wie überm Staub erhoben
bist.
Und scheint von einem lichten
warmen Tone
Dein Herz zu zittern, der aus
ew’gen Reichen
Herniederquillt; in seiner
Harmonie
Wird Vieles eins, entrückt dem
Zeitenfrohne.
In ihm scheint jeder Schmerz
sich auszugleichen,
Was da sie lernt, vergißt die
Seele nie.
O wie zerspringt des Lebens
herbe Schale,
Fliehn alle Schranken, die das
Herz umriegeln,
Wo solche Himmelswonnen sich
entsiegeln
Auf luft’ger Höh’ beim letzten
Scheidestrahle!
Süß hallt die Vesperglock’ im
Klosterthale;
Ihr heller Ton auf Abendwindes
Flügeln
Bebt zitternd fort zu fernen
Sommerhügeln;
Tief summt’s vom Thurm der
fernen Kathedrale.
Hoch über Feig- Citron- und
Myrthen-Hainen
Des Schneegebirges Höhen
funkelnd blitzen
Der Sonne nach, dann rosig sanft
verglühn.
Doch ob dem Schneegewand, dem
ewig reinen,
Sieh’, gleich dem Genius, das
Thal zu schützen,
Den Abendstern die heitre Nacht
durchziehn.
Schön ist dein Abglanz in der
fernsten Spur,
Selbst in der Dämmrung jener
letzten Wesen,
Die zu Grenzwohnern finstrer
Nacht erlesen;
Auch sie sind Zeugniß deiner
Allmacht nur.
Schön ist dein Abglanz in der
Kreatur,
Die deine Huld und Liebe wollt’
erlösen;
In jenen, die dir untreu nie
gewesen,
Der Sonne gleich auf heitrer
Himmelsflur.
Doch zeigt von deinem Glanze
selbst ein Strahl,
Von ew’ger Schöne, sich des
Glaubens Blick,
In Dämmrung sinkt und Nacht die
Welt zurück.
Sie alle ruhn in des Vergessens
Thal,
Da kennt nicht Herz noch Auge
eine Wahl,
Folgt nur der Lieb’
allmächtigem Geschick.
Wer rastlos fliegt, in alle
Tiefen dringt,
Zu allen Höhn noch aufstrebt
bang’ beklommen,
Ist fern noch keinem
Ziele. Ankekommen,
Nur wer’s in sel’ger Gegenwart
umschlingt.
O Mensch, dein Ziel es ist dir
nahe; bringt
Dein Herz nur nicht, von
Trägheit übernommen,
Und hast’gem Nichtsthun, wo du
nah’ gekommen,
Den Abgrund mit, der jedes Gut
verschlingt.
In naher Mitte zwischen Tief’
und Höh’
Erscheint die heil’ge Charis
deiner Seele
Voll Menschenfreundlichkeit und
beut sich dir.
Sie endet Sorge, Kummer, Gram
und Weh,
Lächelt dir Ruh’ und tilget
deine Fehle.
„Wo ist der Himmel?“ spricht
sie; „juble hier!“
Schilt nicht die Wurzel schwarz
und mißgestalt!
Aus dunklem Grund in Blüth’ und
Blätterflor,
Auf sie gegründet schießt der
Stamm empor,
Sie ist des Baumes Nahrung,
Schutz und Halt.
O tadle nicht die Quader roh
und kalt
Und grau im Grund; ein Schloß
mit Thurm und Thor
Und goldnen Zinnen tritt an’s
Licht hervor
Auf jenem Fundament, ein
Säulenwald.
So, liebe Seele, ist es in der
Welt,
Hienieden mit des Glaubens
Fundament
Und dunklen Wurzeln ew’ger
Herrlichkeit.
Auch er, unscheinbar, nicht
in’s Auge fällt;
Grau, schön’ und häßlich
Mancher ihn benennt:
Sein Baum, sein Bau prangt in
der Ewigkeit.
Du fragst: wo mag die
Wunderstätte sein,
Wo Erd’ und Himmel an einander
grenzen,
Wo rosig mit Auroras
Purpurkränzen
Sich ewig schmückt der duft’ge,
dunkle Hain?
O Freund, such’ jenen Horizont
allein
In eigner Brust; in deinem
Innrn glänzen
Dir ew’ge Sterne, muß es ewig
lenzen:
Dort naht sich Gott der Welt,
dort stell’ dich ein!
Dort an der Schwelle wird ein
heilig Graun
Dich still durchschauern vor
des Heil’gen Nähe;
Dort wirst du oftmals heiter,
hehr und mild
Den Glanz von seinem
Vaterantlitz schaun,
Der sanft dich tröstet, schreckt
dich seine Höhe
Und Herrlichkeit, und dich mit
Huld umquillt.
Und hast dem Wahn des Staubs du
abgeschworen,
Bau’ deine Warte hoch im
Felsennest,
In Höhlen schroffer Berghöh’,
kühn und fest
Mit Adlerblick die Ferne zu
durchbohren.
Hier hat, was irdisch, seinen
Klang verloren;
Im Blau verdämmert’s fern von
Ost nach West.
Auch hier dein Gott und Nährer
nicht verläßt
Dich, der die Sonne, den die
Sonn’ erkoren.
Frisch saust die Bergluft, und
du siehst, wie flüchtig
Abwechseln Tag und Nacht, die Zeiten
schwinden
Des buntbekränzten Jahrs, wie
nichts besteht.
Hier fühlst du erst, wie deine
Seele wichtig
Vor Gott: sie bleibt, wie Er,
mußt du empfinden,
Wie Erd’ im Glanz der
Sonnenmajestät.
Wer Alles ließ um Gott, hat
Nichts verlassen,
Vereint in ihm fand alles Gut
er wieder,
Und alle Kreaturen, seine
Brüder,
Mag er in Gott erst recht in
Lieb’ umfassen.
Nur Bosheit, Finsterniß und
Lüge hassen
Kann er annoch und mächt’gen
Abgrunds Hyder;
Sein Leben ist ein Buch voll
heil’ger Lieder,
Bis hoffnungsselig seine Wangen
blassen.
Die Weltlast, so auf Atlas
Schultern liegt,
Der Sklavenmenschheit, trägt er
leicht und fröhlich,
Sie hat der Held in seiner
Brust besiegt;
Der ficht für ihn; mit Hoheit,
Kraft und Licht
Stählt er ihn innen, macht ihn stark
und selig;
Und dieser Herkules verläßt ihn
nicht.
Wird Großes nur in Leidenschaft
vollendet,
Was nüchterner Besinnung nie
gelang;
Wird Heldenthum, Kunst, Liebe
und Gesang
Und was da schön, den Trunknen
nur gespendet;
Ist selbst Religion, hoch
hergesendet
Vom Himmel uns, ein feur’ger
Ueberschwang
Der Leidenschaft: o zögert denn
nicht lang,
Wählt, was die niedern
Leidenschaften endet!
Seid groß und stark in höchster
Leidenschaft,
In Lieb’ und Haß und hohem
Gluthverlangen,
Gleich ihm, der tödtend, stets
erhaltend schafft.
Sein Haß und seine Lieb’ sei
eure Kraft,
So haltet stets das Höchste
fest umfangen
In heil’ger Pflicht im Arm, der
nie erschlafft.
Nicht ziebt dem Knaben Kindes
Thun und Lallen,
Dem feur’gen Jüngling nicht des
Knaben Art,
Der reifen Jungfrau, fühlend
tief und zart,
Nicht Mädchens Wildheit,
scherzend nach Gefallen.
So wird der Mann dem Tadel bald
verfallen,
Dem Ehr’ und ernste Pflicht
nicht Richtschnur ward.
Vernunft und Weisheit, sanftem
Sinn gepaart,
Ziemt Greisen, die am Stab des
Alters wallen.
Doch Liebe, Kraft und Reinheit
ziemt dem Helden,
Ob jung, ob alt, der ganz dem
Herrn sich weihte;
Gern still bei sich, er nicht
nach außen jage.
Mehr That als Wort wird der
Umgebung melden,
In wessen Frieden er den Feind bestreite;
Er eint des Kindes, Mann’s, des
Greises Tage.
Ist’s innen still, bleibt
dennoch außen Streit;
In Kampfes Lärm am Tag der
lauten Schlacht
Hab’ auf die Spitze deines
Gegners Acht!
Thor, der allhier sein Ohr zur
Lockung leiht,
Die mit Verlust der Ehre
Frieden beut
Und zum Beding der Ruh’ die
Schande macht;
Sei tapfer, denn bald senkt die
Sternennacht
Sich auf die blut’ge Wahlstatt
kühlend weit.
Du, Herr der Schlacht, des
Friedens ew’ger Hort,
Schlief fest mein Aug’ am
blutig heißen Tag,
Das innre Aug’, im Lärm der
wilden Schlacht,
O, zeig’ nach Sonnenuntergang
ihm dort
Den Friedenszweig’, wenn innres
Auge wach,
Und äußres schläft, in stiller,
kühler Nacht!
Erst mußt du trauern auf
zerfallnen Trümmern
Jerusalems, das Werk des Donnerschlags
Aus heil’ger Höh’ verehren, des
Vertrags
Des Herrn mit uns gedenk im
herben Kümmern.
O, nimmer wird die Gottesstadt
dir schimmern
Im neuen Tag, trat nicht im
Glanz des Tags
Vom Herrn die Götterdämmrung
ein, erlag’s
Nicht ihm zuvor, das stolze
Heer mit Wimpern.
Mit Thränenfluth muß der
Krystall der Augen
Zuvor gebadet und gewaschen
sein,
Soll er die Strahlen ew’gen
Aufgangs saugen.
In Gluth nur, wie Asbest im
Feuer, rein
Wird erst das Herz recht dem
Erlöser taugen,
Ob Götzentrümmern steigt des
Herren Schrein.
Ich rief um Tröstung, meine
Ampel brannte
Kaum trüb’ und schwach, denn
ihr gebrach’s an Oele;
Du Wahrheit kamst und wiesest
meine Seele,
daß sie die Wege deines Raths
erkannte.
Und staunend sah’ ich’s und
mein Herz entbrannte,
Du liebst mich immer noch trotz
Sünd’ und Fehle;
Und Friedensschimmer brach in
meine Höhle
Wie nie zuvor, der jeden Gram
verbannte.
Du warst bei mir, ich war bei
dir. Entschwunden
War meinem Geist, warum ich
beten wollte,
Und kaum begriff ich’s, als ich
mich besonnen.
Du warst bei mir, ich war bei
dir. Verwunden
War Gram und Schmerz; daß er
verstummen sollte,
Warst du zuvor geeilt mit
Friedenswonnen.
Wohl gibt es Zeit zum Weinen,
Zeit zum Lachen,
Gesang und Stimmung sind
uraltes Recht.
Wenn Unglücksnacht die Seele
niederschlägt,
Und weit dir gähnt des
Mißgeschickes Rachen:
Vielleicht wird schnell ein
sonn’ger Tag erwachen,
Drin unvermerkt sich sanft
Begeistrung regt;
Durch Schmerzen lächelnd
Taubenflügel schlägt
Dein Genius, froh, im Lied sich
Luft zu machen.
Trifft nur der helle
Sonnenschein das Haupt
In Spätherbst und in öden
Wintertagen,
Spricht dir im Leid sanft
Freundeswort zu Herzen:
Vergessen ist, was dir die Zeit
geraubt;
Kaum noch dich itzt des Grams
Gedanken nagen,
Und in Musik verwandeln sich
die Schmerzen.
Leicht weckt mit süßer Lust am
hellen Morgen
Des Frühroths Strahl der Lerche
frohes Lied,
Wenn ihre Brust der Sonn’
entgegenglüht,
Die halb noch ruht im Ocean
verborgen.
Und in der Brust ihr reget süße
Sorgen
Der Erstlingsstrahl, wenn hoch
im Luftgebiet
Sie schauend schwebt; ihr
kleines Herz durchzieht
Begeistrungsschau’r, doch fühlt
sie sich geborgen.
Denn Schauens Lust weckt
Liebesdrang und Sehnen,
Des Busens Füll’ im lob- und
Preis-Gesange
Des Herrlichen, der uns uns
selbst entrückt,
Frei auszuströmen laut in
Jubeltönen
Der sel’gen Ehrfurcht,
schmetternd froh und bange,
Zu künden aller Welt, wie wir
beglückt.
Es weckt der Strahl der
Morgensonne hehr
Die Augen rings und Blüthen; bräunlich
schmücken
Mit Farb’ und Duft sie sich,
doch jene blicken
Entzückt durch Thränen, die vom
Thaue schwer.
Es lag mein Herz vor dir, ein
stilles Meer,
Du Aufgang aus der Höh’, in
Hochentzücken
Ging auf mein Aug’, als ihm
dein Bild du schicken
Gewollt, und jubelnd klang mein
Lied umher.
Es weckt dein Blick des Geistes
schlummernd Auge,
Dein Strahl erschließt des
Herzens duft’ge Blüthe,
Es löst dein Lied die Zunge zum
Gesang.
Laß, daß für immer deine
Strahlen sauge
Das durst’ge Herz, rückstrahlen
deine Güte
Mich lebelang in Licht, in Duft
und Klang.
Schön ist die Blüthe, die zur
Majestät
Des Untergangs nach Stürmen,
wüst und grau,
Des langen Regentags im lichten
Thau
Am stillen Abend sanft
gerichtet steht.
Süß duftend, leuchtend ist’s,
als ob sie fleht
Entzückt und zitternd auf der
frischen Au’,
Wie unersättlich dürstend in
die Schau
Der Gluth versenkt, die
westwärts untergeht.
Wie weint sie schön! Doch
schöner sind die Augen,
Die brünstig heiß zum
Gottversöhner flehn,
Voll ew’ger Sehnsucht auf zum
Kreuze sehn,
Die unersättlich Wonn’ und
Wehmuth saugen
Aus seinem Blick, die ewig
nicht zu stillen,
Sich heiß mit bittren
Reuethränen füllen.
Mir der Kern, was sollen mir
die Schalen?
Wird das schönste Aug’ nicht
Lieb’ erheben,
Macht es nie ein Herz vor
Sehnsucht beben;
Ist’s auch Sonne ohne
Sonnenstrahlen?
Aber wird dein Antlitz Liebe
malen,
Wird der Schönheit Lieb’
entgegenstreben;
Wird auf deinem Mund nur Liebe
schweben,
Regt er, wer du seist, mir süße
Qualen.
O, der Erde Antlitz ist nicht
schön,
Unvergoldet von den lichten,
warmen
Sonnenstrahlen, die sie froh
umarmen.
Würde Lieb’ nicht auf dem
Antlitz stehn
Ew’ger Schöne, deren Nam’
Erbarmen,
Würd’ ein Herz vor Weh nach ihr vergehn?
Magst du hold und schön
geschmückt vor Allen,
Frisch wie Bergluft, schlank
wie junge Reben,
Leuchtend wie der Tag vorüber
schweben,
Mag dein Lob ringsher dir
widerhallen,
Ist, was schön hier, auch in
jenen Hallen,
Bei den Geistern schön? O süßes
Leben,
Wirst dein Herz du gläubig treu
erheben
Hoch zu Gott, so wirst du ihm
gefallen.
Gläub’ger Herzen liebende
Erhebung
Zu der ew’gen Schönheit
heil’ger Sonne
Ist das Antlitz, drin sie
freudig lieset
Ihrer Kinder himmlische
Bestrebung,
Ihr zu gleichen. O dir sei es Wonne,
Wenn sie dich zum Liebling sich
erkieset.
Sanft tränkt mit Thau der
Wolken himmlisch Heer,
Geschwellt von Segen, Berge,
Thal und Flur;
Still ziehn sie hin auf der
azurnen Spur
Des Himmels, segnend über Land
und Meer.
Mit Balsam tropfend, licht und warm
und schwer
Schaun sie herab rings auf die
Kreatur,
Die Labung fleht; doch selbst
sie schöpfen nur
Hoch aus der Sonne Lichtquell
sanft und hehr.
So ziehn von je, still segnend,
durch die Welt,
Licht, Wärme, Heil verbreitend
in der Zeit,
Die hohen, inniggottvertrauten
Seelen.
Der Glaube ist’s, der sie im
Schweben hält,
Der aus der Liebe wirkt
Gerechtigkeit:
Kann es da je an reichem Segen
fehlen?
Ja, Eine kannt’ ich, möge Gott
sie schützen,
Nein, schlicht, gerecht war
ihrer Tage Zeit
Unscheinbar edlen Perlen gleich
gereiht:
Sie schimmern nicht, doch
möchte’ man sie besitzen.
Doch galt es Gutes thun und
Andern nützen,
Und Gott zu dienen, war sie
rasch bereit,
Sah man ihr Wesen, der dem Tag
sich beut,
Dem Demant gleich in goldner
Kette blitzen.
Natur erschien’s, was Gnad’ in
ihr erwecket,
So war sie gleich in Freuden
sich und Leid,
Durch nichts Vergängliches
annoch geschrecket.
Wie Sonnenstrahl auf
Aehrenfeldes Spitzen
Am trüben Tag, schien, wie
durch Wolkenritzen,
In ihr ein Abglanz ew’ger Gütgkeit.
Zum Tempelhain führt dich dein
Wanderstab,
Unsichtbar wie von Engelhand
ummauert
Rings vor der Welt; kein
Späherauge lauert
Dort, wo’s so still und
friedlich, wie im Grab.
In diese Schatten stieg sie oft
hinab,
Von heil’ger Gottheit Nähe still
durchschauert,
Und Tröstung, so dies Leben
überdauert,
Der Ew’ge in die wunde Brust
ihr gab.
Hier wallten zwei befreundete
Gestalten,
Die keinen Schmerz des Busens
sich verhehlten
Und kein Entzücken durch der
Gnade Wehn.
Dir ist’s, als ob den Eindruck
noch behalten
Die Zweig’, als ob leis
rauschend sie erzählten,
Was Alles sie gehöret und
gesehn.
Oft hab’ ich hold und reizend
dich gesehen,
Voll Jugend, Anmuth und
Holdseligkeit;
Und deine Schönheit dünkte mich
geweiht
Von einem Geistesstrahl aus
ew’gen Höhen.
Doch eines Tags hört’ ich und
sah dich flehen
Für Arme, tiefverstrickt in
Noth und Leid,
Ganz Liebe, Inbrunst und
Beredtsamkeit,
Das Antlitz leuchtend, wie von
Sonnennähen.
Durch Thränen lächelnd,
bittend, ganz vergessen
Dein selbst und aller Welt, wie
sprachst du Hohn
Künstlicher Sitt’ zerreißend
alle Banden.
Da sah ich dich in Schönheit
ungemessen:
Dich zeigte mir ein Strahl von
Gottes Thron,
Wie ewig du in Gott vor Gott
gestanden.
Dies blaue Aug’, es sei des
Glaubens Zeichen,
Den fest und klar im Herzen du
empfangen
Durch Gottes Huld: dies
Purpurroth der wangen,
Der hohen Lieb’, die nimmer mag
erbleichen.
Der Zähne Weiß, dem Elfenbeine
weiche,
Der Unschuld Bild im festen
Lilienprangen.
Heil dir, wenn diese Arme oft
umschlangen
Das Kind des Unglücks, Trost
ihm darzureichen!
Der Locken dunkle Fülle dicht
verschlungen,
Zeigt uns geeint dein Herz mit
Gottes Willen,
Dein grün Gewand, der Hoffnung
schön Symbol.
So sei von ew’ger Schöne Strahl
durchdrungen,
So mag von holden Lippen Trost
entquillen
Dem Armen, Siechen, lieb- und
demuthsvoll.
Ich sah umher, ob Schönheit ich
gefunden,
Göttlich erhaben, tröstend,
ernst und mild,
In deren Anschaun jeder Gram
sich stillt,
In deren Brunn die Seelen all’
gesunden,
Durch deren Band dem Höchsten
sie verbunden,
Wie unter sich von seinem Heil
erfüllt.
Ich fand den Strom, dem
Seligkeit entquillt:
Die ew’ge Schönheit strahlt aus
Jesu Wunden.
O heil’ge Thore, Morgenrothes Glanz
Säumt eure Angeln, kündend hell
den Tag
Des jungen Aufgangs ew’ger
Schönheitssonne.
Zum Kranz des Sieges wird der
Dornenkranz,
Zum Lebenseinzug bittre
Todesschmach,
Das tiefste Weh zu
Paradieseswonne.
Schön ist, was dich entfesselt
und befreit,
Dir freudig schauen, leben
hilft und lieben;
Doch häßlich, was dich blenden,
binden, trüben
Und tödten will, dich ewig dir
entzweit.
So wohnt, was schön, nicht in
der Sichtbarkeit;
Laß denn die dunkle erdenfessel
hüben,
Suchst du die hohe
Geistesschönheit drüben;
Sie macht dich leicht und froh
zum Flug bereit.
Und kennst du sie, so zuckt
auch durch die Trümmer
Der ird’schen Welt, worin der
heil’ge Bau
Des ersten Gottestempels liegt
zerfallen,
Aus ew’gem Tag ein wonnigsüßer
Schimmer,
Dir kündend leis des Paradieses
Au’
Und der Stadt Gottes ew’ge
Friedenshallen.
In sanfter Strahlen magisch
holdem Weben,
Als die Natur in mildem
Abendglanze
Der Rose Blüthen öffnete zum
Kranze,
Sah ich zwei Genien
herniederschweben.
Was sich das Herz gewünscht für
dieses Leben:
Des wahren Glückes ungetrübte
Fülle,
Die reinsten Freuden in der
Zukunft Hülle,
Es war für uns in ihre Hand
gegeben.
Sie schmücken mit des Daseins
höchsten Blüthen
Das Leben uns in ewig heitrer
Schöne,
Die Genien der Liebe und der
Treue;
Sie werden gnadenreich das Herz
behüten,
Das gern vernimmt des heil’gen
Wortes Töne,
Daß es im ew’gen Lichte sich
erneue.
Oft dünkt mein Herz sich jung
und schön zu sein
Und ganz entflohn der Tyrannei
der Zeit;
Ihm schafft’s die innre, lichte
Fröhlichkeit,
Voll Lieb’ und Lust sich ganz
dem Herrn zu weihn.
Bedenk’ ich’s recht, so ist’s
der Widerschein
Von ew’ger Schönheit und
Vollkommenheit,
Die ich erwählt; sie schafft
die Freudigkeit,
Daß alle Geister jubeln im
Verein.
Und wär’ ich auch gleich selbst
nicht jung und schön,
Ist’s mein Geliebter, der auch
mir gehört.
Dies ist genug; denn Alles kann
er schenken.
Vielleicht auch mich hat hold
er ausersehn,
Daß eines Tags er selbst sich
mir bescheert
Für ewig: dann kann mich kein
Leid mehr kränken.
Und scheint dies Leben oft mir
eine Wüste,
Und wird mir lang und öd’ der
Pilgerweg,
Und wird im Herzen Gram und
Unmuth reg’
Durch ird’scher Hoffnung
schweifendes Gelüste,
Und däucht mir’s still, ob ich
ein Eiland wüste
Der Seligen, nur nicht dahin
den Steg,
Wo Freude wohnt; hallt’s in dem
Zwiegespräch:
„Weh, wenn dein Herz hienieden
nichts vermißte!
Und eine Stimm’ aus ew’gem
Friedensräumen,
Wo Liebe, Licht und Wonn’
heimathlich weilen,
Spricht sanft mir zu: „ein
Kleines noch Geduld.
O, hoff’ auf Gott! Verlier’
dich nicht in Träumen,
Oft bringen sie den Schlaf; die
Stunden eilen,
Dich finde wach dein Schöpfer
voll der Huld.“
Wie hoch vom Hang der Bergquell
stürzt zu Thale,
Umschlossen eng’ von bleierner
Umhüllung,
So hoch springt er in freudiger
Enthüllung
Zur Sonn’ empor im lautern
Wasserstrahle.
Wie weit geöffnet des
Verlangens Schale
In deiner Brust, so reichlich
die Erfüllung;
Wie heiß der Durst, so reich
des Durstes Stillung,
So Nachhall, gleich der Kluft
im Felsensaale.
Doch Er, deß Herrlichkeit, sich
auszubreiten,
Das Menschenherz erkor, der
Sionsveste
Auf unsres Glaubens Felsen
mochte gründen,
Muß selbst der Gnade Weg und
Statt bereiten,
Im Nehmen, so wie Geben, thun
das Beste:
Er sucht’ in uns, mit uns, wo
wir ihn finden.
Zieh’ ab den Blick von Vielem,
das vergeht:
Hinauf zur Einheit auf der
Andacht Flügel,
Hinan, durchbrich die heil’gen
Demantriegel
Mit reinem, kindlich heiterem
Gebet!
Dort in unwandelbarer Majestät
Schaust du beglückt im sel’gen
Wonnespiegel
Der Kreaturen all’ urheil’ges
Siegel,
Wie’s war und ist und ewiglich
besteht.
Versenk’ dich ganz, im sel’gen
Schaun vertieft,
In ew’ger Liebe sel’gen Brunn;
dort leuchtet
Dein eigen Bild in heil’ger
Menschheit dir.
So erst verstehst du dich,
Natur und Schrift;
Erkenntniß, die ihr Weisen nie
erreichet,
Schöpft hier ein Kind an
sel’ger Himmelsthür.
Wie zwischen Wonneschaun und
Liebverlangen
Inmitten eines Abgrunds selig
schweben,
Ein- und aus-athmend dort im
ew’gen Leben,
Die Geister, lichtdurchzückt
und lichtumfangen!
Bald hält des Schauens Lust sie
froh gefangen,
Bald streben sie empor in
Wonnebeben
Des Liebewillens, ganz sich dem
zu geben,
Von dem ihr sel’ges Leben
ausgegangen.
Und in der süßen Unruh’ findet
Ruh’
Ihr feurig Lieben; ew’ge,
sel’ge Rast
Umfahet jenes dopelathm’ge
Leben.
Und eilt ihr Geist der ew’gen
Quelle zu,
Die aller Himmel Seligkeit
umfaßt,
Muß Ruh’ doch zwischen Lust und
Liebe schweben.
Fühltest du nicht, wie oft, wenn
ganz geweiht
Dem Göttlichen, dich Liebesarm’
umfingen,
Wie, wenn erhoben über Welt und
Zeit,
Dir Engel unterbreiteten die
Schwingen?
Umfangende umfängt
Barmherzigkeit;
Gott und Natur muß da den Geist
verjüngen.
Wie hoch dein Blick empor sich
schwingt, so weit
Wird er auch abwärts in die
Tiefe dringen.
Doch rein von jedem Nebel muß
dein Blick,
Dem Strahl gehorchend, gleich
Krystallen, rein,
Und leicht dein Herz von Staub
der Erde sein.
Was trüb’ und unrein, stößt von
sich zurück
Der ew’gen Schönheit Arch’ und
beut allein
Dem, was sich rein ihr naht,
das reine Glück.
Ich seh’ hinauf; ein lichter
Friedenstag
Der höchsten Einheit zeigt sich
meinen Blicken;
Nur Einen seh’ ich; fernab mir
im Rücken
Liegt mir die Welt mit ihrer
Noth und Schmach.
Ich seh’ hinab; was dunkel vor
mir lag,
Muß mich durch tausendfachen
Glanz erquicken:
So theilt in Pracht sich, ohne
zu zerstücken,
Das eine Licht, das sich in
Farben brach.
Im Blick hinauf war mir die
Welt verschwunden,
All’ ihrer Thorheit nicht’ge
Pracht und Schein
Mocht’ ich nicht mehr als
Wirklichkeit erkunden.
Nun aber kehrt ihr Schein sich
mir in Sein,
Die frei verlorne hab’ ich neu
gefunden,
Denn was sie ist, ist sie in
Gott allein.